Aufgrund des engen Kontakts mit Betroffenen und der Gespräche über extreme Gewalt wie Terror, Flucht und Genozide sind psychosoziale Fachkräfte, die mit dieser Personengruppe arbeiten, häufig indirekt diesen traumatischen Ereignissen ausgesetzt (Lusk/Terrazas 2015). Die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit den traumatischen Erinnerungen ihrer Klient*nnen kann zur Übertragung typischer Traumasymptome (z. B. Hyperarousal oder Vermeidung) führen, auch wenn die Fachkräfte selbst nie den traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren (Daniels 2008). Dieses Phänomen wird als sekundäre Traumatisierung bezeichnet und zeigt sich in verschiedenen Berufsfeldern wie Beratung, Psychotherapie, Medizin und Pflege oder Traumatherapie (Bride/Jones/MacMaster 2007; Daniels 2008; Püttker/Thomsen/Bockmann 2015).

Eine eigene Trauma-Geschichte ist ein hochrelevanter Risikofaktor für eine sekundäre Traumatisierung. In verschiedenen Studien konnte festgestellt werden, dass wenn Psychotherapeut*innen ähnliche Traumata wie ihre Klient*innen erlebt haben, dies ein Grund für einen Mangel an notwendiger Distanz sein und zugleich zu einer sekundären Traumatisierung führen könnte. Eine sekundäre Traumatisierung passiert jedoch auch aufgrund von ausgeprägter Empathiefähigkeit und ist nicht als Zeichen mangelnder Professionalität zu werten (Kizilhan 2020; vgl. Daniels 2008, S. 104 f.).

Eine mögliche Belastung mit sekundärtraumatischen Symptomen sollte regelmäßig im Rahmen einer Supervision thematisiert und überprüft werden, um einer Chronifizierung vorzubeugen. Hierfür kann z. B. ein Fragebogen genutzt werden (ein umfassender und sehr gut evaluierter Fragebogen zur Sekundären Traumatisierung (FST) ist z. B. unter https://sekundaertraumatisierung.de/ zu finden) (vgl. Daniels 2008, S. 107). Wenn Sie das Gefühl haben, davon betroffen zu sein, dann suchen Sie sich professionelle Hilfe. Es ist keine Schande, sich als Fachkraft selbst professionelle Unterstützung zu suchen, sondern vielmehr ein Zeichen der Professionalität. Nur wer selbst gut für sich sorgt, kann auch gut für andere sorgen.