Das Selbstverständliche als nicht selbstverständlich wahrnehmen

Wenn es gelingt, jeden Tag neu achtsam zu sein für die positiven Erfahrungen, und mögen sie noch so klein sein, so weckt und stärkt dies das Vertrauen und die Hoffnung in das Gute. Untersuchungen haben festgestellt, dass Spiritualität die Fähigkeit zur Dankbarkeit erhöhen kann.

Spirituelle Impulse

Führen Sie ein „Freude-Tagebuch“ oder machen Sie es wie die alte Frau: Die Alte und die Bohnen →

→ Geschichte vom löchrigen Schöpfgefäß

Eine Schülerin zu ihrer Meisterin:

„Es ist öde und leer in meinem Innern. Wie finde ich neue Lebenskraft?“
Die Meisterin gibt der Schülerin ein Gefäß und heißt sie täglich zu Quelle zu gehen und Wasser zu holen.
Schon am nächsten Abend kommt die Schülerin wieder zur Meisterin: „Es ist hoffnungslos. Alles Wasser rinnt durch die Löcher des Gefäßes.“
Die Meisterin: „Tue, was ich dir sagte!“

So geht die Schülerin zur Quelle – nicht ohne Zweifel und inneres Murren.
Nach 40 Tagen klagt sie der Meisterin: „Ich habe keine Chance, alles Wasser rinnt durch die Löcher!“
Da nimmt die Meisterin das Gefäß: „Siehe, wie es neu leuchtet! Dein Schöpfen hat den Rost gelöst.“
Und sie zeigt der Schülerin den grünen Streifen im Sand: „Siehe, dein verlorenes Wasser ließ die Wüste neu keimen!“

(Aus der Weisheitstradition der Wüstenmütter und Wüstenväter)

→ Was tut mir gut? Das Leben genießen.

Machen Sie sich eine Liste:

  • Was tut mir gut?
  • Was ist für mich schön?
  • Was ist jetzt im Alltag realisierbar?

Nummerieren Sie, was Ihnen am wichtigsten ist. Realisieren Sie jeden Tag mindestens eine Sache. Gehen Sie in diesem Sinne achtsam mit sich selbst um. Hilfreich ist es, wenn Sie sich diese Liste schön gestalten, eine anspornende Überschrift finden (z.B. „Meine Ressourcen-Schatzkiste“) und sich diese irgendwo für Sie gut sichtbar auslegen oder aufhängen.

Impulse aus den Religionen

Dankbarkeit gegenüber Gott/dem Göttlichen ist ein Thema, das vielen Religionen gemeinsam ist: z.B. Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus. Daher durchzieht der Begriff der Dankbarkeit religiöse Texte, Lehrinhalte und Traditionen. Dankbarkeit ist eines der wichtigsten Gefühle, das Religionen in ihren Anhängern erwecken und erhalten wollen und gilt als universelle religiöse Haltung.

→ Judentum und Christentum

In der jüdischen Weltsicht kommt alles von Gott, und daher ist Dankbarkeit ein zentraler Aspekt. Sie ist ein wesentlicher Teil des Gottesdienstes und durchzieht jeden Lebensaspekt des Gläubigen. Auch die Dankbarkeit für menschliche Freundlichkeit und Güte wird betont.

Dies gilt auch für Christinnen und Christen. Der wöchentliche Gottesdienst, die Eucharistiefeier, ist ein Dank-Gottesdienst.

Biblische Texte:

Viele biblische Texte suchen den Menschen zu sensibilisieren für das Gute, das er erlebt.

Zur Stärkung der Dankbarkeit laden besonders die Psalmen 9, 30 und 107 ein (abrufbar unter: https://www.bibleserver.com/EU/); sie finden sich auch in vielen Vertonungen.

Psalm 107: Danket dem Herrn, denn er ist so freundlich. Seine Güt‘ und Wahrheit währet ewiglich.

Dank beim Tagesrückblick

Viele spirituelle Traditionen laden ein, den Tagesrückblick am Abend mit Danken zu verbinden.

Christentum

Ein spiritueller Tagesrückblick (Gebet der liebenden Aufmerksamkeit, Gewissenserforschung) im Stil des Ignatius von Loyola. Die Merkformel heißt D-A-N-K:

D

Durchgehen des Tages:

  • Für jede Stunde seit dem Aufstehen 1-2 Situationen erinnern
  • Mich erinnern, mit welchen Personen ich zusammen war
  • „Für die guten Dinge danken, die ich empfangen habe“, empfiehlt Ignatius. Gibt es Situationen oder Begegnungen, für die ich dankbar sein kann?
A

„Anfängergeist“ stammt als Einstellung aus dem Zen-Buddhismus und passt sehr gut zum Tagesrückblick:

  • Wie, wo, was habe ich heute begonnen?
  • Wie habe ich geübt?
  • Was kommt mir unvollständig, unfertig vor?
  • Wie geht es mir damit, dass ich jeden Tag neu beginnen darf, solange ich lebe?
N

Neuwerden:

  • Sind Gefühle bei einzelnen Erinnerungen aufgetaucht: Zufriedenheit, Freude, Begeisterung, aber auch Ärger, Neid, Scham und Schuld bei dem, was nicht so gut lief?
  • Wäre es gut, mich mit jemandem zu versöhnen / auszusprechen / nachzufragen, wie er/sie eine kritische Situation erlebt hat?
  • Bin ich gekränkt worden? Habe ich jemanden gekränkt?
  • Mit welcher Haltung möchte ich morgen auf andere zugehen?
K

Konkret:

  • Wie formuliere ich in Meditation, Ritual oder Gebet meinen Tagesabschluss?
  • Das Helle und Schöne, meine Schatten, die ich nicht so gern mag?
  • Meine Sehnsucht nach Heilung und Vergebung?

→ Sufismus (eine mystische Traditionslinie im Islam)

Der Islam ermuntert die Gläubigen, dankbar zu sein und Gott in allen Lebenslagen Dank zu sagen. Es gelte, Gutes und auch Schlechtes, was man im Leben erfährt, in Dank an Gott, im sogenannten Alhamdulillah anzunehmen. Viele Alltagstätigkeiten im islamischen Glauben fördern die Dankbarkeit. Die Säule des täglichen Gebets ermuntert die Gläubigen, fünfmal am Tag zu Gott zu beten, um ihm für seine Güte zu danken. Die Säule des Fastens während des Monats Ramadan dient dazu, den Gläubigen in den Zustand der Dankbarkeit zu versetzen.