Krieg ist die Erfahrung von existentieller Ohnmacht und Bedrohung, der eigenen Lebensgrundlage bzw. des eigenen Lebens, nahestehender Personen und auch der Gemeinschaft bzw. Nation. Oft über einen längeren Zeitraum. In der akuten Bedrohungssituation steht das Überleben im Vordergrund. Der Körper reagiert auf die extreme Stressituation mit Herzrasen, Schweißausbrüchen oder Übelkeit, die Gefühle sind wie gedämpft oder betäubt und die Situation wird als surreal empfunden. Ist die Person in Sicherheit, in einem unterstützenden sozialen Umfeld, lassen diese Symptome einer akuten Belastungsstörung oft nach einer gewissen Zeit von selbst nach.
Für manche sind die Folgen jedoch tiefgreifend und langanhaltend, auch wenn keine äußere Gefahr mehr besteht. Dann wird von Traumafolgestörungen gesprochen. Eine häufige Traumafolgestörung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die Erlebnisse holen die Betroffenen immer wieder ein, in Form von Flashbacks, der Körper ist in einer dauerhaften „Hab-Acht-Stellung“ und kann nicht zur Ruhe kommen. Situationen, die an die Erlebnisse erinnern könnten, werden vermeiden. Auch Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Ängste und sozialer Rückzug können Folgen sein.
Unterstützung Betroffener
In der ersten Zeit nach der Ankunft in Deutschland ist ein ruhiges, stabiles, sicheres Umfeld und soziale Unterstützung besonders wichtig. Um das Erlebte zu verarbeiten gibt es i. d. R. zwei typische Strategien oder Reaktionen, die sich oft phasenweise abwechseln: zum einen wird versucht, nicht darüber nachzudenken oder zu sprechen, um ein Gefühl von Normalität oder Stabilität zurückzugewinnen. Das sollte unbedingt respektiert werden. Zum anderen wird sehr viel über das Erlebte gesprochen, um es irgendwie greifbar und verarbeitbar zu machen. Hilfreich in dieser Phase ist es, einen Raum (z. B. durch Gesprächsangebote, „offene Ohren“) anzubieten, in dem die Wut, Angst oder Trauer ausgesprochen und verarbeitet werden kann. „Normale“ Alltagsbeschäftigungen und -aufgaben und eine Tagesstruktur sind hier sehr wichtig. Außerdem kann es sehr hilfreich sein, bewusst „Bausteine guter Erinnerung“ zu schaffen, indem die Betroffenen jeden Tag mindestens einen positiven Moment für sich aufschreiben. Das können auch scheinbare „Kleinigkeiten“ sein, wie z. B. ein Lächeln oder das Gefühl der Sonnenstrahlen im Gesicht.
Langfristige gesellschaftliche Auswirkungen – „Kultur der Gewalt“
Die längerfristige Akkumulation von Krieg und gewaltsamen Auseinandersetzungen wirkt sich nachhaltig und wesentlich auf die Entwicklung einer Gesellschaft aus, und auch darauf, wie in ihr mit Konflikten umgegangen wird (vgl. Bar-Tal/Hammack 2012: S. 36 f.). Die Folgen ständiger physischer Gewaltakte durchdringen jeden Teil des gesellschaftlichen Gefüges (Kizilhan/Othman 2012).
Wenn die physische Gewalt lange andauert, und das tut sie in einem schwer kontrollierbaren Konflikt, dann kann dieser dauerhafte Einfluss auf die Gesellschaft zu einer „Kultur der Gewalt“ führen (vgl. Bar-Tal/Hammack 2012: S. 30). Sie hinterlässt ihre Spuren, indem sie die Weltsicht und damit das Verhalten der Mitglieder der Gesellschaft prägt (vgl. Lia/Skjølberg 2004: S. 146; Eckart 2010). In solchen Fällen können sich auch die Normen und Werte einer Gesellschaft verändern bzw. „alte“ patriarchalische Werte und Lebensvorstellungen in neuere eingebunden werden (Kizilhan 2019).
Insgesamt ist aber wenig über die subtileren und langanhaltenden Auswirkungen von Gewalt durch Kriege oder generell von Gewaltanwendung aufgrund politischer und religiöser Verhältnisse auf Gesellschaften bekannt. Dies gilt insbesondere für das alltägliche Leben in von Gewalt oder Krieg bedrohten Regionen hinsichtlich möglicher Veränderungen der Wertevorstellungen bzw. der Verstärkung patriarchalischer(-islamischer) Lebensvorstellungen.