Familiäre Trennungen und deren Folgen
Die innerfamiliären Strukturen müssen sich nach einer (Flucht-)Migration oft neu finden. Viele geflüchtete bzw. zugewanderte Familien sind gekennzeichnet durch Fragmentierung und Trennung, besonders davon betroffen sind Geflüchtete.
Ursachen dafür können bereits in den (Flucht-)Migrationsgründen liegen, wenn Familienmitglieder z. B. vertrieben, verschleppt, willkürlich inhaftiert oder ermordet wurden. Die Flucht selbst kann zu Trennungen führen, wenn unterschiedliche Fluchtwege sowie Transit- und Aufnahmemöglichkeiten genutzt werden müssen (vgl. Klett 2020, S. 37). Auch restriktive Regelungen zum Familiennachzug, die nur die Kernfamilienmitglieder und dies auch nur bei einem Teil der Schutzsuchenden berücksichtigen, haben zur Folge, dass familiäre Trennungen über lange Zeit bestehen bleiben.
Trauer sowie die Sorge um die zurückgelassenen Familienmitglieder können eine große und dauerhafte Belastung darstellen, wie auch mögliche Schuldgefühle, weil man selbst überlebt hat und in Sicherheit und versorgt ist (vgl. Westphal/Motzek-Öz/Aden 2019, S. 254 ff.). Viele Menschen leiden nach der Migration unter ungelösten Trennungsängsten in Bezug auf die nächsten Familienangehörigen und die Großfamilie. Dies kann das Gefühl von Entfremdung und Isolation gegenüber der aufnehmenden Gesellschaft verstärken (vgl. Walter/Adam 2000, S. 186 f.).
Auswirkung auf die Eltern-Kind-Bindung
Auch wenn getrennte Kinder und Eltern wieder zusammenkommen, kann die Bindung langfristig beeinträchtigt bleiben, je nachdem wie lange und in welchem Alter der Kinder die Trennung erfolgte. Die Beeinträchtigungen betreffen dabei sowohl die Kinder, die keine Bindung zu den leiblichen Eltern empfinden, als auch die Eltern, die die Trennung wie auch die fehlende Bindung vonseiten ihrer Kinder als Schmerz und Verlust erleben. Das Familienzusammenleben kann dauerhaft darunter leiden, ungelöste Konflikte bis hin zu häuslicher Gewalt können die Folge sein (Arnold 2016).
Aus bindungstheoretischer Sicht bräuchten Menschen, die ungewollt nicht nur von für sie wichtigen Menschen, sondern auch von ihrem Zuhause und ihrem Besitz getrennt wurden, im Aufnahmeland einen „sicheren Hafen“, um physisches und emotionales Wohlbefinden und Stabilität wieder erreichen zu können (vgl. Arnold 2016, S. 98). In vielen Fällen ist dies durch die Rahmenbedingungen nicht gewährleistet.