Nachfolgende Generationen werden durch das ursprüngliche Trauma auf unterschiedliche Weise beeinträchtigt. Studien verschiedener Bevölkerungsgruppen dokumentieren, dass Nachkommen traumatisierter Eltern ebenfalls verschiedene Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder „Traumareaktionen“ zeigen (Brave Heart 1999; vgl. Baker/Kanan 2003, S. 19; vgl. Qouta/Punamäki/El-Sarraj 2003, S. 268 f.; Kizilhan/Othman 2012). Diese Reaktionen umfassen eine Vielzahl von psychologischen Problemen, wie Depression, Verleugnung, Depersonalisation, Isolation, Gedächtnisverlust, Alpträume, psychische Betäubung, Hypervigilanz, Drogenmissbrauch, Fixierung auf Traumata, Identifikation mit dem Tod, Schuld des Überlebenden und unverarbeitete Trauer (vgl. Brave Heart 1999, S. 4; vgl. Qouta et al. 2003, S. 269 f.).
Überraschenderweise sind auch Kinder davon betroffen, die erst nach den traumatisierenden Ereignissen geboren wurden und diese somit gar nicht direkt miterlebt haben (vgl. Klinitzke et al. 2012, S. 22). Beeinträchtigt ein traumatisches Erlebnis die Bindungsfähigkeit und Erziehungskompetenz der Eltern, dann wird die traumatische Belastung auch hierüber an die Kinder weitergegeben (vgl. Scharf 2007, S. 612 f.).
Sind die nachfolgenden Generationen ebenfalls extremen kollektiven Traumata wie Massaker oder Genozid ausgesetzt, werden die Traumaerfahrungen ihrer Vorfahren zusätzlich erneut aktiviert und führen zu einer doppelten bzw. multiplen Traumatisierung. Dies beeinflusst nachhaltig das Verhalten, die Emotionen und die Kognition der Überlebenden. Durch Erzählungen, religiöse Zeremonien, Musik usw. werden diese als „neue Traumakultur“ Teil der Gesellschaft und des kollektiven Gedächtnisses und dadurch wiederum über Generationen hinweg weitergegeben. Dieser Prozess der Weitergabe von Traumareaktionen und Gruppenverhaltensmustern verläuft sowohl auf bewusster als auch auf unbewusster Ebene.