Die zweite, oder auch dritte Generation steht häufig im Konflikt zwischen der (groß-)elterlichen kulturellen Identität und der außerfamiliär erfahrenen Sozialisation im Migrationsland. Erfüllen die Kinder die oft durch die Herkunft geprägten Norm- und Wertvorstellungen der Eltern nicht, können diese das als Entwertung ihrer Lebensziele oder als Abwertung ihrer kulturellen Identität empfinden und mit heftigen Sanktionen reagieren. Für die Kinder und Jugendlichen entsteht ein „Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt“ zwischen den unterschiedlichen Wertvorstellungen. Für Kinder und Jugendliche können dabei sowohl Aspekte der Herkunfts- als auch der Aufnahmekultur als unüberwindbare Barrieren empfunden werden, z. B. die Vorstellungen zu Geschlechterrollen oder Ehr- und Moralvorstellungen, z. B. hinsichtlich der Jungfräulichkeit.

Folgen

Das Gefühl, sich zwischen den beiden Kulturen entscheiden zu müssen, verstärkt die innerpsychischen Konflikte der Kinder und Jugendlichen. Halten diese über längere Zeit an, führt dies zu hohen psychosozialen Belastungen, die sich oft auch negativ auf den schulischen oder beruflichen Erfolg und damit auf die Integration insgesamt auswirken.

Das Werte- und Normengerüst, das die Basis für das Selbstwertgefühl und den Orientierungsrahmen für zwischenmenschliche Beziehungen bildet, kann instabil werden, wenn die Kinder und Jugendlichen das Gefühl haben, gleichzeitig in zwei verschiedenen Gesellschaften mit verschiedenen, zum Teil auch widersprüchlichen Werten und Normen zu leben. Manchmal kennen auch die Jugendlichen, deren Eltern zugewandert sind, die in der Herkunftskultur verwurzelten Normen und Werte nur oberflächlich. Sie benutzen diese kulturellen Normen zwar im alltäglichen Sprachgebrauch oder als Verhaltensrechtfertigung (z. B. den „Ehrbegriff“), haben sie aber nicht wirklich reflektiert und kennen auch ihre genauen Hintergründe kaum.

In der Folge dieser Konflikte entwickeln Jugendliche oft ihre eigene „Selbstkultur“, die aber meist nicht ausreichend verbalisiert und außerdem von beiden Kulturen nicht genügend akzeptiert wird (vgl. Kizilhan 2013a, S. 26). Gerade in dieser „dritten Selbstkultur“ ist ein Abdriften in Subgruppen leicht möglich.