In westlichen, individualistisch geprägten Kulturen tendieren die Menschen dazu, sich selbst, auch innerhalb einer Beziehung oder Gruppe, als eine eigenständige, autonome Einheit mit eigenen Zielen wahrzunehmen. Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und Netzwerken wird eher im Sinne einer freiwilligen, lockeren Verbindung verstanden. Persönliche Absichten werden über kollektive Gruppenziele gestellt. Bei Bedarf kann ohne größere soziale Sanktionen ein Rückzug aus einer Beziehung, einer Gruppe oder einem sozialen Netzwerk erfolgen (Kizilhan 2017b).

In kollektivistisch geprägten Gemeinschaften hingegen stellen Gruppen die Grundbausteine der Gesellschaft dar. Die Harmonie in der Gruppe steht in der Wertigkeit über persönlichen Bedürfnissen und Zielen (vgl. Kizilhan 2018c, S. 61). Der einzelne wird immer im Hinblick auf sein soziales Umfeld wahrgenommen, die Beziehungen stehen dabei im Fokus. Er oder sie definiert sich (bzw. wird definiert) über die ihm bzw. ihr zugeordnete soziale Position in der gesellschaftlichen Hierarchie und über die bestehenden, konkret definierten Beziehungsnetze.

Verhaltensregeln

Als Grundstruktur liegt diesen zwischenmenschlichen Beziehungen, zwischen Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau, Älteren und Jüngeren etc., das Verhältnis zwischen einer herrschenden und einer untergebenen Person zugrunde. Klare ethische Verhaltensregeln sind jeweils vorgegeben, diese sind